Grenzwertüberschreitungen bei Antibiotika: Studie deckt bisher unbekannte Quellen auf

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Antibiotika sind seit Jahrzehnten unverzichtbar im Kampf gegen Infektionskrankheiten. Doch die zunehmende Resistenzentwicklung stellt eine ernsthafte Bedrohung für die globale Gesundheit dar. Laut der Weltgesundheitsorganisation (WHO) gehören Antibiotikaresistenzen zu den zehn größten Gesundheitsgefahren. Jährlich sterben weltweit bereits 1,2 Millionen Menschen an Infektionen mit resistenten Erregern, und die WHO warnt vor einem Anstieg auf über zehn Millionen Todesfälle bis 2050, wenn nicht dringend wirksame Gegenmaßnahmen ergriffen werden.

Resistenzen: Natürlicher Verlauf und menschliche Umweltbelastung

Die Entstehung von Antibiotikaresistenzen ist ein natürlicher Prozess, bei dem Bakterien im Laufe der Zeit eine Resistenz gegenüber den Wirkstoffen von Antibiotika entwickeln. Das eigentliche Problem liegt jedoch in den massiven Mengen an Antibiotika, die durch die Landwirtschaft und das Abwasser von Krankenhäusern in die Umwelt gelangen. Diese übermäßige Exposition gegenüber Antibiotika fördert die Entwicklung von resistenten Bakterien und stellt eine große Herausforderung für die globale Gesundheit dar.

Die Lage von Pharma-Produktionsstätten in dicht besiedelten Gebieten kann zu erheblichen Problemen führen, da die Übertragung von Keimen auf die Bevölkerung eine ernsthafte Bedrohung für die öffentliche Gesundheit darstellt. Insbesondere in stark bevölkerten Regionen besteht ein erhöhtes Risiko für die Ausbreitung von Infektionen mit resistenten Erregern. Es ist daher von großer Bedeutung, geeignete Maßnahmen zu ergreifen, um die Übertragung von Keimen zu minimieren und die Gesundheit der Bevölkerung zu schützen.

Im Rahmen einer deutschen Studie, koordiniert von der AOK Baden-Württemberg in Zusammenarbeit mit dem Umweltbundesamt (UBA) und dem IWW Zentrum Wasser der Universität Duisburg-Essen, wurden in der Pilotphase Wasserproben von acht Pharma-Standorten in Indien sowie je einem in Spanien und Italien genommen. Ziel der Studie ist es, die Belastung der Umwelt durch Abwässer aus der Pharma-Produktion zu untersuchen und die Zusammenhänge mit der Entwicklung von Antibiotikaresistenzen zu verstehen.

Im Rahmen der Studie wurden sowohl die Abwässer der pharmazeutischen Produktionsanlagen als auch die angrenzenden Oberflächengewässer untersucht. In der Pilotphase wurden Wasserproben von acht Standorten in Indien sowie je einem Standort in Spanien und Italien genommen. Die aktuelle Phase der Studie umfasst nun insgesamt 21 Anlagen, darunter erstmals auch mehrere Standorte in China. Diese Erweiterung ermöglicht eine umfassendere Erfassung der Abwasserbelastung in der pharmazeutischen Industrie.

Während der Präsentation der Ergebnisse in Berlin wurde festgestellt, dass in über 50% der Proben Grenzwertüberschreitungen auftraten. Besonders stark waren die Überschreitungen an vier Produktionsstätten, wobei das Antibiotikum Ciprofloxacin den Grenzwert bis zu 10.000-fach und Azithromycin sogar bis zu 1,6 Millionen-fach überstieg. Diese extrem hohen Werte sind selbst für erfahrene Forscher außergewöhnlich.

Frühere Studien haben sich ausschließlich auf Gewässer in der Nähe von Anlagen in Indien beschränkt, was von der indischen Regierung stark kritisiert wurde. Die deutsche Untersuchung hingegen geht einen Schritt weiter und liefert erstmals Daten zu Abwässern aus der Pharma-Produktion, die bisher nicht erforscht wurden.

Die Erfassung der Daten war aufgrund der enormen Größe der Produktionsanlagen äußerst herausfordernd. Mit einer Ausdehnung von mehreren Quadratkilometern war es schwierig, genaue Messungen durchzuführen und alle relevanten Daten zu erfassen. Es erforderte den Einsatz spezialisierter Techniken und den Aufbau eines effizienten Erfassungssystems, um die Daten erfolgreich zu sammeln und für weitere Analysen vorzubereiten.

Das Hauptziel der Studie besteht nicht darin, Indien in den Fokus der Kritik zu rücken, sondern vielmehr darin, Daten zu Grenzwertüberschreitungen in Abwässern der Pharma-Produktion zu sammeln. Die Ergebnisse zeigen jedoch auch in Europa ähnliche Probleme auf. Sowohl indische Unternehmen als auch Behörden sind an den Ergebnissen interessiert und haben bereits Maßnahmen ergriffen, um die Wasseraufbereitung zu verbessern. Die Studie leistet somit einen wichtigen Beitrag zur Bekämpfung von Antibiotikaresistenzen.

Aufgrund des Mangels an Laboren in Indien können die äußerst niedrigen Konzentrationen, die nur einem Würfelzucker im Bodensee entsprechen, nicht nachgewiesen werden. Die Ergebnisse der Studie haben jedoch bereits dazu geführt, dass zwei indische Hersteller ihre Wasseraufbereitung deutlich verbessert haben.

Johannes Bauernfeind, Vorstand der AOK Baden-Württemberg, unterstreicht die Wichtigkeit des Dialogs mit den Verantwortlichen vor Ort, um das Problem der Antibiotikaresistenzen besser zu verstehen. Er betont, dass Pharmahersteller ihre Antibiotika nicht mehr verkaufen können, wenn diese aufgrund von Resistenzen ihre Wirksamkeit verlieren.

Bauernfeind fordert politische Maßnahmen auf EU-Ebene, um Umweltkriterien in das Arzneimittelrecht zu integrieren und die Kontrollinstrumente zu verbessern. Mit ihrem Anteil von rund einem Viertel der weltweiten Medikamentennachfrage besitzt die EU eine erhebliche Marktmacht. Diese kann genutzt werden, um die Förderung umweltverträglicher Produktionsverfahren voranzutreiben und den Kampf gegen Antibiotikaresistenzen zu intensivieren.

Neben den gesundheitlichen Auswirkungen führen Antibiotika-Resistenzen auch zu erheblichen wirtschaftlichen Problemen. Laut OECD belaufen sich die jährlichen Kosten für das deutsche Gesundheitssystem aufgrund von Antibiotika-Resistenzen auf 1,2 Milliarden Euro. Eine marktnahe Versorgung mit stabilen Lieferketten wäre wünschenswert, doch der Aufbau gestaltet sich zeitaufwendig und herausfordernd.

Die niedrigen Preise aufgrund der großen einheimischen Nachfrage in Indien und China führen dazu, dass Unternehmen vermehrt bei Herstellern in diesen Ländern einkaufen. Um jedoch langfristig eine umweltverträgliche Pharmaproduktion zu fördern, ist es wichtig, Anreize für nachhaltige Produktionsverfahren zu schaffen. Nur so können negative Auswirkungen auf die Umwelt minimiert und eine nachhaltige Versorgung gewährleistet werden.

Die deutsche Studie trägt wesentlich dazu bei, Antibiotikaresistenzen zu bekämpfen. Durch den Dialog mit Verantwortlichen vor Ort und die Bereitstellung von Daten werden bessere Lösungen entwickelt. Damit der Einsatz von Antibiotika reguliert wird und umweltverträgliche Produktionsverfahren gefördert werden, ist es entscheidend, dass die Politik auf nationaler und internationaler Ebene Maßnahmen ergreift.

Die erfolgreiche Bekämpfung von Antibiotikaresistenzen und die langfristige Sicherung der Gesundheit der Bevölkerung sowie die Wirtschaftlichkeit des Gesundheitssystems erfordern politische Maßnahmen auf nationaler und internationaler Ebene, um den Einsatz von Antibiotika zu regulieren und umweltverträgliche Produktionsverfahren zu fördern.

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